Neue Apfelbäume für die Obststadt Travemünde

Pflanz-Aktion am 16.11.2022 Travemünde, Steenkamp

c/ Sparkasse zu Lübeck

Auf dem Gelände der Kinderstube Travemünde wurden am Buß- und Bettag zwölf alte Apfelsorten gepflanzt, darunter „Gravensteiner“, „Hochzeitsapfel“ und „Schleswiger Erdbeerapfel“. Die Hochstämme der neuen Kita im Steenkamp, bezahlt von der Sparkasse Lübeck, pflanzte der Lübecker Hanse-Obst e.V., der mit seiner dritten Herbstpflanzung im Stadtteil an die alte Tradition Travemündes als Obststadt anknüpft.

Aus Travemünde wurde vor 175 Jahren ganz Europa mit Obstbäumen beliefert, was weitgehend vergessen ist. Um 1850 verkaufte der Obstbaum-Züchter Heinrich Behrens, der zwischen Kalvarienberg und Parkallee residierte, seine Bäume bis nach England, Skandinavien oder Russland. Behrens, zugleich Betreiber der ersten Travemünder Spielbank und des Badebetriebs, war mit seinem „Sortenverzeichnis der Travemünder Baumschule“ einer der ersten Pflanzen-Versandhändler Deutschlands. Es wurden von ihm die ungeheure Zahl von 196 verschiedenen Apfelsorten angeboten. Auch der „Gravensteiner“, der nun mehrfach im Stadtteil gepflanzt wurde, war in seinem Sortiment. Überall in Travemünde waren damals ausgedehnte Obstpflanzungen, die letzte davon wurde beim Bau der Supermärkte im Gneversdorfer Weg vernichtet. Nur wenige über 100-jährige Apfelbäume haben überlebt: einige 1918 gepflanzten Boskoop-Bäume stehen noch an der Straße nach Brodten.

Die derzeit einzige neue Streuobstwiese entstand auf dem Gelände der St.-Lorenz-Kirchengemeine am Moorredder: Hier stehen seit Ende Oktober nun 20 Hochstämme, neben Apfel auch Pflaume und Quitte. Dort halfen unter Anleitung vom Hanse-Obst-Verein 40 Personen mit, darunter Kita-Kinder und auch Schüler der Travemünder Stadtschule.

Pflanz-Aktion am 29.10.2022 Travemünde, Moorreder

c/ Lions Club Travemünde

Für und mit Kindern pflanzen wir Obst als Klima- und Zukunftsbäume“, sagt Vereinsgründer Heinz Egleder, der mit seiner Familie 20 Jahre im Ostseebad gewohnt hat: „Am liebsten pflanzen wir in Travemünde noch 100 weitere Obstbäume!“ Die Kita Küstenknirpse hat schon Interesse angemeldet, auch andere Travemünder Träger vom Altenheim bis zur Zollstation können kostenfrei Obstbäume bekommen. Dabei ist die Finanzierung kein Problem, wenn geeignete Flächen bereitstehen. Am Moorredder zahlte der Lions Club Travemünde, bei den Pflanzungen der Kitas am Nordmannring und am Steenkamp war es die Sparkasse zu Lübeck. Auch bei der städtischen Aktion „Baum sucht Zuhause!“, die der Verein Hanse-Obst mit angeschoben hat, bekommt jeder Lübecker 150 Euro als Zuschuss für einen neuen Obstbaum, siehe https://www.luebeck.de/baumschutz.

Eine solche Nachfrage nach Obstbäumen hat es noch nie gegeben“, sagt Juniorchef Timm Bornholdt von der gleichnamigen Lübecker Baumschule, die diese ans Ostsee-Klima angepassten Obstsorten liefert. Abgesehen vom Obst-Boom vor eineinhalb Jahrhunderten, der damals hier herrschte: „Die pomologische Abteilung (der Travemünder Baumschulen) nimmt durch ihren Reichtum in Deutschland unbestritten den ersten Rang ein“, so die „Lübeckischen Blätter“ von 1859. Die Bezeichnung „Obststadt Travemünde“ ist also keine Übertreibung, zumal das selbstständige Stadtrecht erst 1913 an Lübeck verloren ging.

Die Travemünder Neuanpflanzungen sind zugleich Teil der stetig wachsenden „Essbaren Stadt Lübeck“; allein der Verein Hanse-Obst hat nun bereits 1600 Obstgehölze gepflanzt. Fridays for Future fordert lauthals: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“; aber Hanse-Obst flüstert: „Wir pflanzen hier, wir pflanzen leise, denn Obst ist unsere Zukunftsspeise!“ Wären nur ein Prozent der von Bürgerschaft und Bürgermeister angekündigten eine Million Bäume Obstgehölze, hätte Lübeck 10 000 Klimabäume der besonderen Art: Regionales Obst ist für unser Klima und unsere Gesundheit viel besser als gespritzte Äpfel aus dem Supermarkt. Denn „Golden Delicious“, „Elstar“ oder „Pink Lady“ – teilweise zwei Jahre im Gas-Lager – sind minderwertig gegenüber den neu heranwachsenden Früchten im Steenkamp. Die vier- und fünfjährigen Kita-Knirpse der Kinderstube Travemünde halfen voller Eifer beim Buddeln und Begießen der Bäume mit. Ein „Prinzenapfel“ war dabei, ebenso ein „Kaiser Wilhelm“ oder eine „Goldrenette Freiherr von Berlepsch“. Lauter leckere Tafeläpfel, die bei einer Lebenserwartung von 100 Jahren noch die Urenkel der kleinen Pflanzhelfer kosten können. „Wir freuen uns sehr auf die blühenden und fruchtenden Apfelbäume“, schwärmt Kita-Leiter Dennis Melzer, „wir werden mit den Kindern Saft pressen, Kuchen backen, Marmelade und Mus machen.“ Zum Abschluss wurde für die Bäume ein Segensgebet gesprochen – nicht nur, weil Buß- und Bettag war.

(Heinz Egleder)