Ozonloch im Norden: Obst und Mensch gefährdet

Obst + Ozonloch

Sorte „Gartenmeister Simon“ mit Sonnenbrand

Text und Bilder von Heinz Egleder

Alarmierende Sonnenbrand-Schäden an Obst registriert aktuell der Lübecker Hanse-Obst e.V.: Äpfel und Stachelbeeren sind besonders betroffen. Auch Menschen, insbesondere Kleinkinder, sind durch die ultraviolette Strahlung gefährdet. Der Verein rät zu besonderen Vorsichtsmaßnahmen.

Noch nie haben wir in Lübeck so viel Sonnenbrand an Pflanzen beobachtet“, sagt Landwirt und Obstkenner Heinz Egleder, „teilweise mit dramatischen Folgen.“ Junge Obstbäume sind besonders betroffen, ihr reichlicher Fruchtansatz wird teilweise komplett vernichtet. Seit vielen Jahren gibt es vermehrt Berichte, dass die Abschirmung von ultravioletten Strahlen durch ein Loch der Ozonschicht gestört ist. Aber niemand berichtet derzeit darüber, weil die Pandemie und der Ukraine-Krieg mit ihren Folgen die Nachrichten dominieren. Im Internet finden sich Videos vom „Ozonloch Lübeck“ von Vorjahren, dabei sind die Gefahren derzeit größer als je zuvor. Seit Anfang Juli laufen beim Hanse-Obst-Verein und beim „Netzwerk-Streuobstwiesen“ in Schleswig-Holstein einzelne Hinweise ein, viel früher im Jahr und auch das Ausmaß der Verbrennungen ist größer. Von Heiligenhafen bis Lübeck wird über Pflanzen-Sonnenbrand geklagt. Möglicherweise ist die Ostsee-Küste besonders betroffen. Wer jetzt dort ein Sonnenbad nimmt, sollte an eine Kopfbedeckung und Sonnencreme, je nach Hauttyp, mit entsprechendem Sonnenschutzfaktor denken. Noch besser: im Schatten bleiben! Aber wie können wir unser Obst und andere Pflanzen vor Sonnenbrand schützen?

Was für Menschen gilt, trifft auch auf Obst zu: bei Hitze und Sonne viel Flüssigkeit aufnehmen. Es zeigt sich, dass die Sorten- und die Standortwahl für Obst in Zeiten des Klimawandels noch wichtiger werden. Die Apfelsorte „Gravensteiner“ beispielsweise benötigt generell einen Pflanzort mit ausreichender Bodenfeuchtigkeit. Ist das gegeben, kommen die Bäume offenbar mit dem Ozonloch besser zurecht: kaum Sonnenbrand an Blättern und Früchten. „Gravensteiner“ am trockenen Standort sehen in Lübeck derzeit im Blattwerk erbärmlich aus:

 

 

 

Obstbäume können durch gutes Wässern mit Sonnenbrand besser zurechtkommen, auch ein Schattensegel oder ähnliches kann helfen. Vergessen wir nicht: Ursprünglich war der Standort vieler unserer Obstgehölze der Wald oder Waldrand. Hellfrüchtige Apfelsorten sind vom Sonnenbrand besonders betroffen, dazu gehört die Liebhabersorte „Gartenmeister Simon“, aber auch der „Finkenwerder Herbstprinz“, der „Holsteiner Cox“ und sogar der „Purpurroter Cousinot“ werden verbrannt. Letzterer, weil er bei der Strahlenschädigung noch grün war. Bei der zu Ende gehenden Stachelbeer-Ernte waren grüne und gelbe Sorten ebenfalls besonders geschädigt. Auch hier eine menschliche Parallele: Hautfarbe und -typ spielen bei der Gefährdung eine Rolle.

Das Ozonloch, eigentlich eine Ausdünnung der Schutzschicht um unseren Planeten durch freigesetzte Fluorchlorkohlenwasserstoffe, kurz FCKW, kann bei Menschen durch erhöhte Strahlenbelastung Krebs auslösen; Kinder und ältere Personen haben ein erhöhtes Risiko. Bei Obstgehölzen sind bisher nur Verbrennungen an Früchten und Blättern nachgewiesen. Die Früchte fallen vor der Ente meist von selber ab, wir brauchen nicht tätig zu werden. Verliert der Baum auch die Blätter, können Obstgehölze eine zweite Blättergeneration zum Überleben austreiben. Dafür sind Bodenfeuchtigkeit und gespeicherte Reserven nötig. Nach nunmehr drei Jahren Trockenheit bei uns hier im Norden sind allerdings etliche (Obst)Gehölze geschwächt. Auch hier gilt: junge und altersschwache Bäume sind besonders gefährdet.

Unsere Obstgehölze an der Ostseeküste erleben den Klimawandel auf zweierlei Art: einerseits das Ozonloch, andererseits die Trockenheit. Starkregen, wie beispielsweise im Ahrtal vor einem Jahr, stecken Obstbäume meist mühelos weg; sie verhindern durch ihr Wurzelgeflecht zudem das Wegschwemmen von Erde erheblich. Wie sollen sich Eigentümer von Obstbäumen nun diesen Sommer verhalten? „Im Schatten eines Apfelbaums selbst gepressten Apfelsaft genießen“, rät Obstexperte Egleder, „denn Hautkrebs ist die eigentliche Gefahr.“ Bei Obstbäumen, die tatsächlich absterben sollten, werden Fehler bei der Sorten- und Standortwahl sichtbar. Regionale Obstsorten kommen mit dem Klimawandel eigentlich besser zurecht als die meisten unserer Garten- und Waldgehölze. Wenn an der sonnenexponierten Seite Früchte abgängig sind, bleiben in diesem guten Obstjahr noch genügend andere zur Ernte.